Kürzlich stolperte ich mehr oder weniger beim Autofahren in eine äußerst interessante Hörfunksendung zum Thema Midlife-Crisis. Vielleicht ist dieses Wort inzwischen aus der Mode gekommen, dennoch holt es viele von uns ein, wenn sie die Lebensmitte überschritten haben. Es wurde 1957 von dem kanadischen Psychoanalytiker Elliot Jaques geprägt. Ich lauschte diesem Thema sehr interessiert. Nicht zuletzt deswegen, weil ich für mein Seminar am 11. November 2020, zum Thema Der innere Wandel und die neue Rolle, aktuell sehr viel Input sammle.
Multiple Krisen prägen die Mitte
In dieser Zeit werden wir mit „multiplen Krisen“ konfrontiert und das kann unser Leben schon einmal heftig durcheinander wirbeln. Was macht uns in unserer Lebensmitte so anfällig? Innere Gereiztheit, starke Stimmungsschwankungen, eine plötzliche Unsicherheit, machen sich in uns breit. Wir spüren Veränderungen im beruflichen und privaten Umfeld. Plötzlich sind die Kinder aus dem Haus und als Paar besteht vielleicht die größte Herausforderung darin, sich wieder neu zu finden. Die eigenen Eltern fordern uns heraus und halten uns einen Spiegel vor. Wenn wir die Lebensmitte überschritten haben, halten wir gewöhnlich Rückschau und stellen fest, dass unser Lebensfenster endlich ist. Zu gerne erinnere mich noch an die Feier zu meinem fünfzigsten Geburtstag, an dem ich eine Rede hielt. In dieser Rede stellte ich meine Gäste vor und verwendete dafür ein Zentimetermaß. Zehn Zentimeter standen für ein Jahrzehnt. In jedem Jahrzehnt hatte ich Freunde kennengelernt. Ich stellte sie meinen Gästen vor und schnitt dann mit einer Schere das Jahrzehnt ab, in dem ich sie kennenlernte. Irgendwann war ich bei der Zahl fünfzig angekommen. Heute noch hängt dieses Zentimetermaß in meiner Wohnung. Das Lebensfenster der Endlichkeit ist da sehr schnell zu erkennen!
Die Zeit rennt davon
Was wollen wir in unserem Leben noch erreichen? Es ist an der Zeit, Prioritäten zu setzen. Die Zeit rennt uns davon. Auch die Auseinandersetzung mit vergangenen Lebensphasen holt uns anscheinend wieder ein. Längst vergessenes taucht plötzlich wieder auf. Vielleicht melden sich ursprüngliche Pläne, Ideen, Wünsche wieder und jauchzen jetzt nach Realisierung. Unser Körper macht nicht mehr alles mit, er verändert sich. Da beißt die Maus keinen Faden ab! Ob Mann oder Frau, beide haben damit zu kämpfen. Manch eine*r mehr, manch eine*r weniger. Häufig erleben wir Stimmungsschwankungen. Frauen aufgrund des sinkenden Östrogens und Männer aufgrund des sinkenden Testosterons.
Den Sinn neu definieren
Frauen sprechen leichter über ihre Probleme. Ihre sensible Wahrnehmung unterstützt sie darin. Als ich das Seminar „Der innere Wandel und die neue Rolle“, zum Thema Wechseljahre, bereits im vergangenen Jahr schon einmal hielt, habe ich erlebt wie großartig Frauen sich über derart feinfühlige Themen austauschen können, es gestaltet sich dann vieles leichter. Männer tun sich im Allgemeinen schwerer damit und sammeln es in ihrem Körper, bis es förmlich aus ihnen heraus bricht. Dieser Vulkanausbruch gestaltet sich dann schon einmal in einem völlig neuen „Selbstentwurf“ und kann in einer Form von „Erfüllungsstress“ münden. Neuer Job, neue Frau, neues Hobby. Doch bevor es soweit kommt, macht es Sinn, seine eigene Sicht auf den eigenen Sinn des Lebens einmal zu hinterfragen, neu zu gestalten und nicht an alten Geschlechterrollen Diktaten festzuhalten. Im Ehe-Coaching erlebe ich, wie weit sich die Parteien voneinander zu entfernen drohen und wie sie in dieser neuen Phase ihres Lebens langsam wieder zueinander finden können, wenn sie es beide zulassen. Ein sehr heilsamer Moment.
Im Fluss der Energie
In meinen IDOGO-Achtsamkeitstrainings erzähle ich den Teilnehmer*innen auch hin und wieder von Yin und Yang – zwei Pole. Sie beschreiben Beziehungen, Veränderung und Muster innerhalb natürlich ablaufender Prozesse. Yin und Yang sind zwei gegensätzliche Aspekte einer Einheit, die nicht zu trennen sind. Sie bedingen sich gegenseitig. Das eine geht nicht ohne das andere. So ist es auch mit unserem Leben. C. G. Jung hat diese Lebensphase der Midlife-Crisis bereits mit dem Yin und Yang Prinzip erklärt, wir streben in unserem Leben Vollkommenheit an. Haben wir die eine Seite ausgelebt, leben wir nun die andere aus. Es darf in dieser Lebensphase also ruhig etwas mehr Weiblichkeit bei den Männern und etwas mehr Männlichkeit bei den Frauen ausgelebt werden. In diesem Sinne, bleiben Sie im Fluss der Energie. Halten Sie sich die Torschlusspanik vom Leibe – wenn nicht jetzt, wann dann?
Quellen: SWR 2-Forum, Es diskutierten Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Entwicklungspsychologin, Psychotherapeutin und systemische Familientherapeutin, Burkhard Spinnen und Markus Vahlefeld, beides Schriftsteller. „Der Horror der Hälfte – Gibt es noch die Midlife-Crisis“: Podcast hier zum Nachhören.
Dr. med. Christiane Northrup, Weisheit der Wechseljahre, Selbstheilung, Veränderung und Neuanfang in der zweiten Lebenshälfte, Zabert Sandmann-Verlag.
Taoistisches Qigong, Ping Liong Tjoa, Die Theorie von Yin und Yang
Elliot Jaques Wikipedia
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Frau/Freiheit: PC_Pixabay_Blog_woman-570883_1920
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