Stellen wir uns doch einmal für einen kleinen Moment vor, das Wort Zeit wäre nie erfunden worden. Wir würden keine Uhren tragen und würden uns dem Tagesrhythmus einfach hingeben. Aufstehen, wann es uns gefällt. Unsere Dinge erledigen, wann immer wir Lust dazu haben. Wie wäre unser Leben ohne Zeit? Wie wäre es, wenn wir jenseits der Zeit leben würden? Dort wo alles still ist, wo wir in uns ruhen und keine Hektik empfinden? Wie wäre es, wenn wir erkennen würden, dass kein noch so tiefer Schmerz, keine Aufregung, keine Freude, kein Ärger, kein Rausch und kein Leid der Welt ewig dauern? Hätte dann die Zeit einen anderen Wert?
Wir selbst sind Teil der Zeit
„Ich habe keine Zeit!“, höre ich öfter von meinen Klient*innen. Dabei kann das Thema Zeit eine wirklich hinderliche Sichtweise sein. Die Zeit ist nicht knapp! Wir können sie auch nicht sparen, wie es in dem Kinderbuch MOMO von Michael Ende mit den „Grauen Herren“ so wunderbar beschrieben ist. Wir alle haben jeden Tag 24 Stunden. Entscheidend ist also, wie nutzen wir unsere Zeit? Die Zeit ist kein Ding, sie existiert in unserem Inneren. Häufig sagen wir Sätze wie: ich vertrödele meine Zeit, ich kann meine Zeit nicht einschätzen, ich kann meine Zeit nicht richtig managen, ich habe Zeit verloren oder wie kann ich Zeit gewinnen. Doch in Wirklichkeit vertrödeln wir uns selbst. Wir managen uns selbst nicht so, dass unser Leben wertvoller ist. Wir verlieren oder gewinnen auch keine Zeit, sondern schaffen es einfach nicht, Dinge mit Muse und Freude zu tun. Wir leben in der Zeit, durch die Zeit.
In der Zeit-Lupe liegt die Erkenntnis
In vielen Menschen steckt die Sehnsucht nach einem Halt mitten in der Haltlosigkeit unserer hektischen Zeit. Fragen über Fragen in unserem Inneren bestimmen den Tag. Wie soll das alles weitergehen? Finde ich wieder einen Job? Wie kann ich dem täglichen Stress in meinem Job entgehen? Werde ich meine Umsätze erreichen? Wie schaffe ich es, die Probleme im Team zu lösen? Wann ist die Krise endlich vorbei? Wann gibt es endlich wieder eine heilsame Beziehung in meinem Leben? Wann darf ich wieder verreisen? Wann geht die Krankheit endlich vorbei? Wann habe ich endlich mein altes Leben wieder zurück? Fragen über Fragen, jeden Tag, hier nur kurz einige dieser ca. 60.000 Gedanken, die wir am Tag denken. Alle bewusst wahrzunehmen und in Schach zu halten, ist schier unmöglich.
Diese Sehnsucht suchen häufig Menschen in Meditationsgruppen zu stillen. In einem leeren Raum, der dennoch eine gewisse Wärme ausstrahlt, finden Sie endlich die Zeit und Ruhe, einfach einmal still zu sitzen und nach innen zu schauen. Sie erleben eine innere Freiheit, ja vielleicht sogar ein Glücksgefühl gegenüber dem, was ihnen im Alltag begegnet. In dieser rasenden Zeit treten sie ein in den eigenen inneren RAUM DER STILLE. Sie blicken sozusagen durch die Zeit-Lupe. Als ich kürzlich mit meinem Programm LEERLAUF IM KOPF© in der Natur unterwegs war, gab es eine Teilnehmerin, die anschließend Geld bei ihrer Bank abheben wollte und sich nicht mehr an ihre Geheimnummer erinnern konnte. Eine andere konnte sich nicht mehr an die Hausnummer ihrer Galerie erinnern. Alleine diese beiden kleinen Beispiele zeigen, wie wir uns in einer meditativen Haltung von Alltag und Zeit entfernen können.
In der Gegenwart leben
Jeden Tag befinden wir uns auf unserer eigenen Fortbildung. Wir lernen und wachsen und leben. Wenn wir uns die Frage nach dem Glück stellen, so könnte die Antwort heißen: Glück ist die Fähigkeit, jeden Tag in dem Bewusstsein zu leben, dass die Zeit nicht für immer uns gehören wird, und dass alles um uns herum genau so richtig ist und so sein muss, wie es ist. Nur so können wir wachsen. Wenn wir auf der Suche nach der Gegenwart sind, werden wir nur unschwer erkennen, dass unser Körper „immer“ in der Gegenwart ist und das ist schon einmal eine wichtige Erkenntnis. Daher beginnt die Bewegungsmeditation mit dem Idogo-Stab immer mit der Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Atmung. Vielleicht möchten Sie gerne eigene Erfahrungen in diese Richtung sammeln, dann schauen Sie einfach einmal hier.
Alles, was wir ständig versuchen unter Kontrolle zu halten oder vermeiden wollen, kann uns nicht glücklich machen. Das ist unsere tägliche Fortbildung. Also, stellen wir uns unserer täglichen Fortbildung und begegnen ihr jeden Tag mit Neugierde und Freude. Lassen wir die Zeit Zeit sein.
Erfahrungen mit Tiefe
Bevor ich meine Arbeit als Coach begann war mir klar, dass es eine Veränderung im Denken, ohne den Körper auf die Reise mitzunehmen, einfach nicht geben kann. Ich traute mich nicht einmal, darüber zu sprechen, bis ich mich meiner Professorin anvertraute. Sie bestärkte mich in meiner Idee, „Lernen mit dem Körper“ unbedingt umzusetzen. So kam dann Idogo in mein Leben. Im Wunsch nach einer Veränderung kommt es nicht auf oberflächliche Übungen an, sondern um das Erleben von Erfahrung und Tiefe. Wie bei Yin und Yang bedingen sich Achtsamkeit, Konzentration und Tiefe gegenseitig. Wenn ich beispielsweise bei LEERLAUF IM KOPF© einen Impuls setze, damit die Klienten eine Verbindung zwischen sich und der Natur herstellen können, läuft ein persönliches Erleben in Zeitlupe ab. Ein Erlebnis, das vielleicht nur Sekunden gedauert hat, führt dann zu neuen Einsichten oder Erkenntnissen. Diese Essenz, die sich dabei herauskristallisiert, ist ein echter erfahrbarer Gewinn für die Menschen. Die Balance und Achtsamkeit im Beruf und Alltag zu finden, funktioniert nur in der achtsamen Gegenwart. Im Hier und Jetzt, in dieser Sekunde, heute. Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Kommen Sie in Ihre eigene Wohlfühlgeschwindigkeit und geben Sie Ihrer Zeit Raum!
[Quellen und Inspirationen: Joan Chittister, „Glück kommt wenn wir loslassen“. Anselm Grün „Sehnsucht nach Ewigkeit“. Buch: „Die Stille beginnt in dir“. Olaf-Georg Klein, „Eine Frage der Zeit“, Coaching-Magazin, 1/2021.]
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